Bis 2030, so die Pläne der Bundesregierung, soll die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland überwunden werden. Mit Blick auf die aktuellen Hochrechnungsergebnisse der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) rückt dieses Ziel jedoch in weite Ferne.
Jeweils auf das ganze Jahr gesehen wurden im Jahr 2021 383.000 wohnungslose Personen gezählt, im Jahr 2022 dagegen 607.000 Personen. Zum Stichtag 1. Juni 2021 waren 268.000 Menschen wohnungslos, im Vergleich dazu waren es zum Stichtag 1. Juni 2022 bereits 447.000 Menschen. Somit ist ein deutlicher – und dramatischer – Anstieg von 67 Prozent zu verzeichnen. „Eine Differenzierung bei den Stichtagszahlen zwischen deutschen und nicht-deutschen Wohnungslosen zeigt zudem deutliche Unterschiede. Bei den deutschen Wohnungslosen ergibt sich ein Anstieg von 5 Prozent, bei den nicht-deutschen um 118 Prozent. Letzteres ist insbesondere auf die enorme Zunahme der Zahl wohnungsloser Geflüchteter, ganz besonders aus der Ukraine, zurückzuführen“, heißt es in der Pressemitteilung der BAG W.
Anfang des Jahres war auch das Statistische Bundesamt seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen und hatte mit Stichtag 31. Januar 2023 die entsprechenden Zahlen erhoben. Allerdings weichen die Zahlen (jeweils nach unten) von denen der BAG W ab. Grund dafür ist die Zählweise: Die Bundesarbeitsgemeinschaft inkludiere in ihre Hochrechnung auch die wohnungslosen Menschen, die vorübergehend bei Freundinnen und Freunden sowie bei Verwandten unterkommen und diejenigen, die ganz ohne Unterkunft – also obdachlos – auf der Straße lebten.
Die Gründe für die Wohnungslosigkeit sind weiterhin mannigfaltig. Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe: „Inflation, gestiegene Kosten und steigende Mieten belasten einkommensschwache Haushalte in Deutschland. Dies führt zu (Energie-)Armut, Mietschulden und Wohnungsverlust. Besonders gefährdete Gruppen sind einkommensarme Ein-Personen-Haushalte, Alleinerziehende und kinderreiche Paare. Auch Beratungsstellen verzeichnen eine steigende Nachfrage, während der verfügbare und bezahlbare Wohnraum abnimmt.“
Dies kann auch Frank Bremkamp, unser Bereichsleiter Soziales, Gesundheit, Migration, bestätigen. „Die von der BAG W geschilderte Steigerung der Anzahl der Wohnungslosen in Deutschland hat auch Auswirkungen auf unsere Einrichtungen: Unsere Fachberatungsstellen für Wohnungslose haben im Jahr 2022 insgesamt 1166 Frauen und Männer beraten. Die Ratsuchenden waren zum größten Teil wohnungslos und hatten glücklicherweise (noch) die Möglichkeit, in einer ungesicherten Unterkunft (zum Beispiel bei Freunden und Bekannten oder Verwandten) zu schlafen. Diese sehr hohe Zahl an Wohnungslosen zeigt, wie angespannt die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Oberhausen ist. Die Ratsuchenden nutzen unsere Beratungsstellen viel länger und die Vermittlung in Wohnraum wird immer schwieriger und seltener. Für die Menschen ist diese Situation sehr belastend, da eine realistische Perspektive, kurzfristig eine Wohnung zu finden, kaum mehr vorhanden ist. Es fehlt vor allem an Kleinstwohnungen, die im Rahmen der von den Sozialleistungsträgern gesetzten Referenzmiete vermietet werden.“
Darum appelliert er eindringend an Vermieterinnen und Vermieter, die über freien Wohnraum verfügen, sich mit unserer Fachberatungsstelle für Wohnungslose, Grenzstr. 73 a-c, Tel., 85008-80, wohnungslosenhilfe@diakoniewerk-oberhausen.de, in Verbindung zu setzen.